Hannawald: „In meinen schlimmsten Alpträumen nicht gedacht!“
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Die Skisprung-Welt ist von einem Mega-Skandal erschüttert. Es geht um systematischen Betrug der norwegischen Top-Springer. BILD fasst die wichtigsten Fragen zusammen. Was ist passiert? Auslöser des Bebens ist ein anonymes Video (liegt BILD vor) aus der Anzugschneiderei des norwegischen Skisprung-Teams vor dem letzten Skisprungwettkampf der Nordischen-WM. Die Top-Nation aus Skandinavien soll wissentlich und im Beisein von Chefcoach Magnus Brevig (41) die Anzüge manipuliert und sich so einen unzulässigen Vorteil verschafft haben. Norwegens Sportdirektor Jan Erik Aalbu (61) gestand am Sonntag den Betrug um Welt- und Vizemeister Marius Lindvik (26) Foto: Terje Pedersen/NTB/dpa, IMAGO/Lehtikuva In der Folge wurden Welt- und Vizemeister Marius Lindvik (26), Johan Forfang (29) und Kristoffer Sundal (24) disqualifiziert. Norwegens Sportdirektor Jan Erik Aalbu (61) gestand am Sonntagnachmittag mit Blick auf die illegal veränderten Anzüge von Lindvik und Forfang wissentliches Fehlverhalten. Lindvik und Forfang wiesen in einem gemeinsamen Statement die Schuld von sich und behaupteten, dass sie von dem Betrug nichts gewusst hätten. Brevig kündigte eine Stellungnahme für Montag an. Personelle Konsequenzen gibt es vorerst nicht. Heimlich mitgefilmt: Der Skisprung-Skandal im Video 01:37 Quelle: BILD10.03.2025 Wer hat das Video gemacht? Das Video wurde in der Nacht von Freitag auf Samstag aufgenommen. Wer es gemacht hat – völlig unbekannt. Auch dem Weltverband FIS wurde es am Samstagvormittag zugespielt. In dem Raum, mutmaßlich im Hotel Scandic, waren die Fenster mit schwarzem Tüll abgehängt. Durch einen kleinen Schlitz wurden die Aufnahmen von außen gemacht. Am Samstagnachmittag sagte FIS-Chefkontrolleur Christian Kathol (59) in der ARD: „Ich mag nicht die Art und Weise, wie diese zustande gekommen sind. Ich mag anonyme Videos nicht. Ich weiß nicht, wer sie aufgenommen hat, und in Wahrheit interessiert es mich auch nicht, weil anonyme Geschichten, sollen anonym bleiben. Sämtliche Anzüge wurden von mir kontrolliert.“ Das Ende ist bekannt. Was sind das überhaupt für Chips und Anzüge? Zum Start dieser Saison wurden neue Anzugregeln eingeführt. Anhand von NFC-Chips (sieben Stück sind im Anzug verbaut) und einem Schriftzeichen sollte die Kontrolle für mehr Fairness sorgen. So sollte sofort auffallen, wenn Springer unerlaubterweise die Anzüge oder Teile der Anzüge austauschen. Auch interessant AnzeigeAuch interessant Anzeige Die Regeln sind klar: Maximal acht der gechippten Anzüge dürfen die Springer im Weltcup einsetzen, zwei weitere durften bei der Ski-WM in Trondheim gesprungen werden. Seit Jahren sind die Anzüge ein Streitthema. Material, Dicke und Passform müssen beachtet werden, sonst droht die Disqualifikation. Der Anzug muss aus einem luftdurchlässigen Stoff bestehen und eine Dicke von mindestens 4 und höchstens 6 Millimeter haben. Zudem darf der Anzug an keiner Stelle mehr als 4 Zentimeter weiter sein als der Körper in aufrechter Haltung, muss aber mindestens 2 Zentimeter zusätzlichen Spielraum bieten. Denn: Schon minimale Abweichungen können einen Vorteil im Flug verschaffen. Je größer die Anzugoberfläche, desto mehr Auftrieb erzeugt sie. Johann Andre Forfang bei seinem Sprung am Samstag Foto: Hendrik Schmidt/dpa Bei der Kombination aus Chips und Anzug wurde es nun betrügerisch. Nach BILD-Info soll versucht worden sein, die Chips zu hacken! Mit speziellen Geräten soll es möglich sein, die darauf gespeicherten Daten auszulesen, sogar die Seriennummer kann geklont werden. Nach BILD-Infos soll mehrfach versucht worden sein, die gehackten Chips dann in Anzüge umzubauen. Zudem hatten die Norweger eine nicht erlaubte Naht am Anzug angebracht, die für mehr Stabilität sorgen sollte. Erschüttert das die ganze Sportart? Ja! Das Ausmaß der Betrügerei ist weiterhin unklar. Polens Cheftrainer Thomas Thurnbichler wettert: „Es ist für mich eine Verarschung. Es ist eine klare Manipulation und klarer Sportbetrug, ähnlich wie Doping.“ Welche weitreichende Auswirkungen der Skandal haben wird, ist aktuell noch völlig unklar. Fakt ist: Seit Jahrzehnten wird in dem hochsensiblen Sport in Materialfragen aufgerüstet, jede Nation geht ans Limit, immer wieder werden an neue, innovativen Dingen getüftelt. Ob Ski, Schuh, Bindung oder Anzug – das System Skispringen gilt als das fragilste überhaupt. Nuancen können zwischen Sieg und Absturz entscheiden. Marius Lindvik (r.) holte auf der Normalschanze Gold – vor Andreas Wellinger. Bei einer Disqualifikation des Norwegers würde Wellinger nachträglich Weltmeister werden Foto: Hendrik Schmidt/dpa Ist es möglich, dass andere Nationen das auch machen? In dieser Saison wurden bereits Springer – neben den Norwegern – u.a. aus Italien, Slowenien, Japan, Österreich und auch Deutschland (Adrian Tittel) disqualifiziert. Beim deutschen Youngster Tittel (21) ging es in Lillehammer (24.11.) um die Relation von Gewicht und Skilänge. Dazu war beim Springen in Willingen (1.12.) der Anzug zu groß. Im Skispringen gibt es Regelverstöße also immer mal wieder. Doch die Manipulation eines Anzugs im großen Stil, wie jetzt bei den Norwegern, ist aktuell noch einmalig in der Historie der Sportart. Bislang wurde den Norwegern der Betrug nur beim letzten WM-Springen nachgewiesen. Ob sie auch im ganz großen Stil manipuliert haben, ist nicht klar. Solange das nicht bewiesen ist, muss die Unschuldsvermutung gelten! „Wir vermissen dich“: Emotionale Mick-Botschaft an Papa Michael 01:07 Quelle: AP, Instagram, BILD10.03.2025 Wo kann man tricksen? In allen Bereichen. Und es ist auch kein Geheimnis, dass jede Nation in allen Bereich alles probiert. Doch genau dafür gibt es die von der FIS vorgegeben Regeln. Der Anzug zum Beispiel muss ein klares Reglement einhalten. Chief of Competition an der Großschanze war übrigens ein Norweger, Hroar Stjernen (64). Seine Kollegen und er entschieden über die Disqualifikation der Norweger. Kurios: Stjernen ist der Schwiegervater von Norwegen-Cheftrainer Brevik. Diese Saison wurde es auch abseits der Norweger innovativer: Während der Vierschanzentournee fielen die Anzüge der Ösis auf. „Die müssen alle große Eier haben“, sagte ein Insider zu BILD. Was gemeint ist: Die Schritt-Stelle, an der die vorangemeldeten Anzüge vor den Springen nochmals gemessen werden, könnte also tiefer sitzen, was am Ende dann für mehr Fläche sorgen würde. Mehr Fläche bedeutet eine bessere Tragweite in der Luft. Dazu wurde auch über einen möglichen Wunder-Stoff, den die Ösis an bestimmten Stellen eingenäht hatten, spekuliert. Und: Die Verbindung zwischen Ski und Schuh soll ganz innovativ sein. Vor einigen Wochen galten die Ösis (hier Stefan Kraft) noch als die Bösis. Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet Foto: AP Ist Material-Doping so schlimm wie Blut-Doping im Radsport? Es ist anders. Als im Rad-Rennsport noch über unerlaubtes Material diskutiert wurde, standen die Ausmaße nicht im Vergleich mit denen, die auf das systematische Blut-Doping folgten. Denn: Es ist nach wie vor ein Unterschied, ob am Material oder am Körper manipuliert wird. Das zeigen auch die Strafen. Übrigens: Dopingfälle im Skispringen sucht man lange. Der letzte Fall liegt über 20 Jahre zurück. Dem Russe Dmitri Wassiljew wurde ein verbotenes Abnehm- und Entwässerungsmittel nachgewiesen (Diuertikum Furosemid). Er wurde für zwei Jahre gesperrt. Was wird dagegen getan? Wer kontrolliert was? Für das grundsätzliche Kontrollsystem ist FIS-Chefkontrolleur Kathol verantwortlich. Zuletzt sagte er: „Wir haben ein sekundäres Sicherheitssystem. Mit chemischen Mitteln könnte man die Chips ablösen, das würde ich aber erkennen, wenn diese dann wieder angebracht werden würden.“ Seine Arbeit stellten zunächst weder Athleten noch Trainer infrage. Österreich-Coach Andreas Widhölzl (48) erklärte: „Christian tut sein Bestes. Er kann nicht alles sehen.“ Der ehemalige Weltklassespringer forderte dafür mehr Unterstützung für Kathol. Es brauche „mehr Leute“, was „sicher eine finanzielle Frage“ sei, fügte er an. Doch mit Hitze soll es möglich sein, die über dem Chip angebrachte Folie so lösen zu können, dass sie im neuen Anzug problemlos wieder angebracht werden kann. Polen-Cheftrainer Thomas Thurnbichler (35) fordert: „Man muss jetzt kontrollieren, ob dieser Anzug nicht auch in anderen Wettbewerben genutzt wurde. Auch zwischen den Disziplinen wird sich ausgetauscht, also ist auch die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es in anderen Sparten so sein kann.“ Ösi-Coach Andreas Widhölzl nimmt FIS-Chefkontrolleur Kathol in Schutz Foto: Georg Hochmuth/APA/dpa Um wie viel Geld geht es im Skispringen? Preisgelder im Weltcup werden von der FIS festgesetzt. Für einen Weltcupsieg gibt es aktuell 12.000 Schweizer Franken (rund 12.500 Euro). Bei der WM in Trondheim gab es Sonder-Prämie: Für Gold gab es 57.600 Schweizer Franken (60.000 Euro), für Silber 36.000 Schweizer Franken (37.500 Euro) und für Bronze 21.600 Schweizer Franken (22.600 Euro). Bei den meisten Nationen wie Deutschland und Österreich haben die Springer neben dem Verband auch private Sponsoren. Andreas Wellinger (29) hat zum Beispiel als Kopfsponsor Red Bull und individuell ausgehandelte Prämien. Anders in Norwegen: Da gibt es nur gemeinsame Sponsoren für das ganze Team. Der letzte Skisprung-Millionär soll Kamil Stoch (Polen) gewesen sein. Der ehemalige Super-Star, der in seinem Heimatland bekannter ist als Fußballer Robert Lewandowski, soll pro Saison auf rund 1,5 Millionen gekommen sein. Andreas Wellinger hat Red Bull als Sponsor Foto: Hendrik Schmidt/dpa Was sagen die Deutschen? Andreas Wellinger, der nachträglich zum Weltmeister erklärt werden könnte: „Mir ist es am Ende eigentlich auch zu blöd. Mir geht das Thema nur auf die Nerven. Anzüge, Bindungen: Können wir uns bitte auf Skispringen konzentrieren?“ Der Beste solle gewinnen – „und nicht der, der am besten bescheißt.“ Skisprunglegende Sven Hannawald (50) zu BILD: „In meinem schlimmsten Alptraum hätte ich nicht gedacht, dass es so weit kommt. Ich hoffe, dass alle Entscheidungsträger endlich aufwachen und sich ein rigoroses Reglement überlegen. Ansonsten kann man Skispringen in zwei Jahren beerdigen.“ ARD-Kommentator Tom Bartels (59) zu BILD: „So etwas habe ich in 25 Jahren Skispringen nicht erlebt.“ DSV-Sportdirektor Horst Hüttel (56): „Wir sehen einen erheblichen Aufarbeitungsbedarf. Wir fordern die FIS ganz klar zur Aufklärung der Situation auf.“ Wie reagieren die Sponsoren? Der erste Sponsor hat schon zurückgezogen! HELP (eine norwegische Versicherungsfirma) teilte laut Sender NRK mit: „Es versteht sich von selbst, dass unser Logo nicht auf den Trikots eines Teams zu finden ist, das betrügt.“ Nach BILD-Infos soll das Unternehmen rund 300.000 Euro pro Saison gezahlt haben. Lesen Sie auch Jetzt geht es um geklonte Chips: Norwegens Skisprung-Skandal immer irrer Die Skisprungwelt wird von einem Mega-Skandal erschüttert. Erst das heimliche Video, jetzt auch noch vermeintliche Hacker-Angriffe!... Skandal erschüttert das Skispringen: Hier gestehen die Norweger ihren Anzug-Betrug Norwegens Skiverband hat im Mega-Skandal im Skisprung nun doch Betrug zugegeben. Wie geht es weiter? FIS-Renndirektor Sandro Pertile wurde von der dynamischen Situation regelrecht überrollt. „Wir müssen in Ruhe die Situation klären. Das ist ein Thema für die ganze Skisprung-Familie, nicht nur für eine Mannschaft“, teilte er mit. Aber wie handelt die FIS denn nun? Gibt es Sperren und Suspendierungen? Der Italiener konnte keine dieser Frage beantworten. Er mutmaßte lediglich, dass die bisherigen WM-Resultate Bestand haben dürften. Sollten den Norwegern doch alle – auch in der Kombination und bei den Frauen – Medaillen (je sechs Gold und Silber, drei Bronze) aberkannt werden, gäbe es vier Titel für Deutschland.
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